Das Haus Zamis Band 11 by Asche zu Asche Stein zu Stein
Autor:Asche zu Asche, Stein zu Stein [Asche zu Asche, Stein zu Stein]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Horror
Herausgeber: Kontor New Media GmbH
veröffentlicht: 2012-12-31T23:00:00+00:00
Zwischenspiel:
Kurz zuvor in Wien
Die Touristen und Flaneure, die noch im Parlamentsviertel unterwegs waren, genossen den lauen Sommerabend.
Holger Mehmke liebte dieses Viertel. Als Architekturstudent im zehnten Semester fühlte er sich inmitten seiner neumodisch empfindenden Kommilitonen als Außenseiter. Frank Gehry oder Philip Johnson hießen deren Vorbilder. Holger Mehmke dagegen verehrte die alten Meister. Und Theophil von Hansen war nach seiner Vorstellung einer der Größten. Er hatte seinen Traum von griechischer Demokratie in der Architektur des Parlaments verwirklicht. Allein für diesen Anblick hatte es sich schon gelohnt, das Wochenende in Wien zu verbringen.
Laurie, seine Verlobte, sah das anders. »Ich verstehe nicht, was dich an diesen alten Gemäuern so fesselt!«, hielt sie ihm vor. »Diese alten Kästen sind doch völlig gruftig!«
»Gruftig nennst du das? Schau dir allein den tempelartigen Mittelbau an und wie formvollendet der übergiebelte Säulenportikus ihn mit den beiden Flügelkomplexen verbindet!« Er geriet förmlich ins Schwärmen.
»Lass uns lieber an unseren letzten Abend noch was losmachen. Hier ist doch der Hund begraben!«
Irritiert schaute er sie an. Seit wann war sie denn so bockig? Natürlich war er es gewohnt, dass sie seine Liebe zur Architektur nicht zu teilen vermochte. Dafür fehlte ihr als Studentin der Sozialpädagogik der Intellekt. Aber bislang hatte sie sich ihm noch immer angepasst.
»Und außerdem tun mir von dem Rumlatschen allmählich die Füße weh!«, beschwerte sie sich.
Er verdrehte die Augen. Insgeheim schwor er, die nächste Reise zu seinen Architekturtempeln allein zu unternehmen.
Sein Blick fiel auf den Pallas-Athene-Brunnen. »Dort können wir uns hinsetzen und uns etwas ausruhen«, schlug er vor. Außerdem hatte er von dort einen schönen Blick über das Gelände. Aber das sagte er ihr nicht.
»Ich würde mich lieber in irgendein Café setzen und etwas trinken«, maulte Laurie.
»Ach was, du weißt selbst nicht, was du willst.«
Er zog sie mit sich, und sie ließen sich beim Brunnen nieder. Auch der Brunnen war – zumindest in Holgers Augen – ein Meisterwerk Hansens. Die goldbehelmte Pallas Athene erhob sich majestätisch über Allegorien von Legislative und Exekutive und der Flüsse Donau, Inn, Elbe und Moldau. Er hatte keine Lust, es Laurie zu erklären. In ihrer miesen Laune würde sie ihm auch nicht zuhören.
Da vernahm er ein leises Knirschen. Er sah sich um, konnte jedoch nichts entdecken. »Hast du das auch gehört?«, fragte er irritiert.
»Nein, was denn?«
»So eine Art Knirschen …« Jetzt hörte er es wieder. Es kam von oben. Er sah hoch, konnte aber nach wie vor nichts entdecken.
Laurie schrie plötzlich auf. Sie war seinem Blick gefolgt. Nun sprang sie hoch und zeigte zu der Statue hinauf. »Sie hat gelächelt!«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Holger begriff, was sie gesagt hatte. »Du meinst Pallas Athene? So ein Un…!« Das Wort blieb ihm im Hals stecken.
Ein Ruck ging durch die Statue. Gleichzeitig erstrahlte eine giftig-violette Aura um sie herum.
Und dann sah auch er es: Pallas Athene hatte die steinernen Lippen tatsächlich zu einem Lächeln verzogen. Doch es war kein freundliches Lächeln. Etwas Grausames lag in diesem Mienenspiel.
Eine Erschütterung ging durch den Brunnen. Holger wurde von den Steinen weg auf den Platz geschleudert.
Mit weit aufgerissenen Augen sah er, wie die steinerne Figur von ihrem Sockel hinab auf ihn zuschwebte.
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